Online-
Paarberatung

Tag 31-40



Streitkultur


Sie haben in den letzten vier Wochen ziemlich viel an Ihrer Beziehung gearbeitet. Vielleicht war das nichts Neues für Sie. Vielleicht war es aber auch viel mehr als in den Jahren zuvor. Ihre Beziehung ist deshalb noch nicht so toll wie früher; allenfalls werden Sie kleine marginale Verbesserungen im Umgang miteinander feststellen können. Denn an Ihrer Streitkultur haben Sie ja noch nicht richtig gearbeitet. Um die geht es in diesen 10 Tagen. 


Neulich sah ich interessiert eines dieser C-Promi-Trash-TV-Formate, wo völlig unwichtige Menschen zusammen gepfercht und rund um die Uhr gefilmt werden. Zum Ergötzen des Publikums kriegen sie sich natürlich bald in die Haare und beschimpfen sich aufs Übelste. Vor allem, wenn sie früher mal ein Pärchen waren, hat das durchaus seinen Reiz. Eine der jungen Frauen  rastete in der Sendung völlig aus und ging ihrem Ex verbal an die Gurgel. Von ihren Mithäftlingen auf ihr schrilles Organ angesprochen, das einem Rauchmelder ähnlich war, sprach sie den wunderbaren Satz: "Ich versteh nicht, diskutieren ohne Rumschreien, wie soll das denn gehen?"


Voll ins Schwarze! Wir sind beim Thema. Wie geht das: Diskutieren ohne Rumschreien?  ich hoffe, bei Ihnen geht es etwas niveauvoller zu als im Trash-TV, aber das Thema "Eskalation im Streit" werden Sie aus eigener Erfahrung kennen. Meistens passiert es an der gleichen Stelle. Rede / Gegenrede / lautere Rede / noch lautere Gegenrede / Eskalation / Schreierei / Streit, und dann knallen die Türen. Es wird sich gegenseitig unterbrochen, als gäbe es fürs Unterbrechen Fleißpunkte. Keiner baut auf dem auf, was der andere ihm gerade an den Kopf geworfen hat, sondern unerbittlich prallen die verschiedenen Standpunkte aufeinander. Gefährliche Worte wie "immer" und "nie" gehören zum Waffenarsenal: "Immer bist du so...", "nie machst du..." usw.  Beliebt ist auch das verräterische "Aber": "ich kann echt viel vertragen, aber..." (Merke: Alles vor dem Wörtchen "aber" Gesagtes ist dummes Zeug und erfüllt nur eine rhetorische Alibifunktion). 


Sie haben jetzt 10 Tage Zeit, um Ihre Streitkultur zu verbessern.  Das funktioniert auch dann, wenn es in diesen Tagen gar keinen Streit gibt (Sie müssen also keinen vom Zaun brechen). Freunden Sie sich einfach 10 Tage lang mit diesen einfachen Verhaltensregeln an und machen Sie diese zum Teil Ihres Alltags (z.B. mit kleinen Merkzetteln am Badezimmerspiegel o.ä.). Es sind 10 Regeln. Er / sie macht es natürlich genau so wie Sie, denn zum Eskalieren gehören immer zwei.


1. Regel: Distanz! Auf eine Aktion darf niemals sofort eine Reaktion erfolgen. Bevor Sie sich provozieren lassen, legen Sie eine Pause ein und reagieren erst dann. Sie können das Zimmer verlassen. Oder ein paar Mal tief durchatmen. Oder das Thema wechseln. Oder bis 100 zählen. Wichtig ist nur, dass Sie auf eine Provokation niemals spontan reagieren.


2. Regel: Komplett auf Vorwürfe verzichten! Alles, was Sie ihm / ihr zu sagen haben, kleiden Sie in eine BITTE. 


3. Regel: Keine Verallgemeinerungen! Fangen Sie nie einen Satz mit "immer" oder "nie" an, sondern bleiben Sie beim konkreten Einzelfall.


4. Regel: Alles, was Sie sagen, muss die Diskussion irgendwie weiter bringen. Gehen Sie deshalb immer darauf ein, was Sie gerade gehört haben und entwickeln Sie daraus Ihren nächsten Diskussionsbeitrag.


5. Regel: Sprechen Sie mit ihm / ihr auf Augenhöhe! Man nennt es das "Erwachsenen-Ich". Nie von oben herab, nie belehrend. Er / sie ist kein Kind mehr. 


6. Regel: Bleiben Sie unbedingt beim Thema, schweifen Sie nicht ab und verkneifen Sie sich die sehr oft übliche Generalabrechnung.


7. Regel: Wenn Ihnen ein Argument entgegen geschleudert wird, wiederholen Sie dieses mit Ihren eigenen Worten nach dem Motto: "Habe ich dich richtig verstanden...?" bzw. "Du meinst also...?". 


8. Regel: Nehmen Sie so wenig wie möglich übel, auch wenn es sich um Beleidigungen handelt. Die sind natürlich nicht erlaubt. Aber wer austeilt und verletzt, tut dies immer aus Angst, selbst verletzt zu werden.


9. Wenn er / sie diese Regeln verletzt, weisen Sie ihn / sie darauf hin, aber ruhig und ohne Stress. Wenn Sie feststellen, dass Sie diese Regeln verletzt haben, sprechen Sie mit ihm / ihr darüber und überlegen gemeinsam, was Sie nächstes Mal besser machen können.


10. Regel: Kein Streit, ohne dass Sie ihm / ihr hinterher von Ihren Gefühlen berichten! Was war für Sie besonders schlimm? Was hat Sie enttäuscht, frustriert, traurig gemacht? Und wie wollen Sie beide damit nächstes Mal umgehen?


Die Regeln ließen sich noch erweitern. Zum Beispiel mit Omas gutem Rat "Geht nie ohne Versöhnung ins Bett", und da gibt es noch viel mehr Tipps. Wie also soll das in Zukunft funktionieren, wenn es Streit gibt? Wird, wo bisher die Fetzen flogen, jetzt mit Wattebällchen geworfen?


Nein, das wäre langweilig, und Langeweile ist der Tod jeder Beziehung. Ich gehe davon aus, dass sich kaum eine der 10 Regeln 1:1 in die Praxis umsetzen lässt. Es wird bei Ihnen weiterhin Differenzen geben, die zu Streitigkeiten führen, und "nobody is perfect". Hier geht es lediglich darum, dass Sie (und er / sie) ständig und unverdrossen an Ihrer Streitkultur arbeiten. Wenn Sie also von jeder Regel ein bisschen umsetzen können, wäre das Ziel bereits erreicht. Sie können dann weiterhin nach Herzenslust streiten. Aber Ihre Streitkultur hat sich verbessert.


Sie haben die Regeln für eine gepflegtere Streitkultur verinnerlicht und mit ihm / ihr darüber gesprochen? Dann können Sie jetzt auf das Häkchen klicken.



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