Die beiden hatten sich so auf die Rente gefreut und jahrelang Pläne geschmiedet. Dann war es endlich so weit. Aber es kam anders. Während sie bisher den Haushalt quasi nebenbei gut im Griff gehabt hatte, mischte er sich nun in alles ein. Das "Rumsitzen" zu Hause gefiel ihm überhaupt nicht.
Er fing an, das Geschirr im Küchenschrank neu zu sortieren, hatte viel zu meckern, war unzufrieden und "unleidlich", wie sie erzählte. Schließlich dachte sie – immerhin nach über 30 Jahren Ehe – sogar über eine Trennung nach. Was war da passiert? Weiter unten war schon einmal die Rede von den sog. "Entwicklungs-Aufgaben", die uns immer dann zu schaffen machen, wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Der Eintritt in die Rentenzeit gehört zweifellos dazu. Jetzt gerät das Gleichgewicht in der Beziehung außer Kontrolle und muss völlig neu hergestellt werden. In der Online-Paarberatung gehe ich mit den Klienten immer ganz kleine Schritte. Zunächst haben sie gelernt, sich gegenseitig zu sagen, was sie stört – ohne dass es Streit gibt. Dann konnten wir einen ersten Kompromiss erzielen: ER verändert nichts in der Wohnung, ohne es vorher mit IHR abzusprechen, und SIE akzeptiert, dass ER sein Tätigkeitsfeld nun zu Hause hat, wodurch sie natürlich Kompetenz abgeben muss. Entscheidend war am Ende jedoch, dass die Schwierigkeiten des Paares in Relation zu ihrem neuen Lebensabschnitt gestellt wurden. Soweit ich weiß, engagiert er sich jetzt ehrenamtlich in einer Kita und hilft dort beim Deutschunterricht für Kinder, die noch kein deutsch sprechen. Auch das hat geholfen, die Ehekrise zu überwinden.